Im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzengruppen sind die Blütenpflanzen auffallend, artenreich und häufig. Grundkenntnisse über diese Gruppe gehören zur Allgemeinbildung. Sie bilden die wichtigste Gruppe der sog. Primärproduzenten, welche die Voraussetzungen für das Leben auf der Erde bilden. Grüne Pflanzen sind in der Lage, Sonnenenergie in chemische Energie umzusetzen (Photosynthese), wobei sie quasi als Abfallprodukt den für fast alle übrigen Organismen lebensnotwendigen Sauerstoff produzieren. Die sog. Nutzpflanzen aus dem Bereich der Blütenpflanzen sind - direkt oder indirekt - die Grundlage der menschlichen Existenz; sie sind daher auch ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor.
Es ist viel über Blütenpflanzen geschrieben worden, so daß jeder Leser dieser Abhandlung etliches vermissen wird, was er für wissenswert hält, und anderes vorfindet, was ihm zu trivial erscheint. Jeder wird aber verstehen, daß in wenigen Zeilen nicht alles das wiederzugeben ist, worüber es eine umfangreiche, zum Teil populärwissenschaftliche Literatur gibt, in der trotz der vielleicht abfällig gebrauchten Bezeichnung vieles wissenschaftlich einwandfrei, klar und vor allem gut illustriert dargestellt ist.
Heutzutage setzt man auch elektronische Medien zur Entwicklung von Bestimmungssschlüsseln ein, siehe hierzu ist den folgenden Schlüssel zur Bestimmung Blütenpflanzenfamilien:
entwickelt von Ray PHILLIPS, Director of Information Technology Services and Assistant Prof. of Biology, Colby College, Waterville, ME 04901.
Um sich ein Bild von der Vielfalt der Pflanzen machen zu können und einzelne Arten kennenzulernen, bedarf es ihrer Identifikation. Es gibt dafür zahlreiche Bestimmungsbücher, denen unterschiedliche Methoden zugrundeliegen. In vielen populären Werken werden Farbphotos oder Zeichnungen verwendet; oft dient die Blütenfarbe als primäres Erkennungsmerkmal. Die meisten der sog. wissenschaftlichen Bestimmungsbücher arbeiten mit dichotomen Schlüsseln. Der Benutzer wird nacheinander vor alternative Fragen gestellt, zwischen denen er sich entscheiden muß. Dieses Verfahren wird solange fortgesetzt, bis die gesuchte Pflanze identifiziert ist. Die "Wissenschaftlichkeit" begründet sich dabei vornehmlich auf Vollständigkeit, denn die meisten der bebilderten Bücher enthalten nur die häufigsten oder auffallendsten Pflanzen.
Die Erforschung der Flora Mitteleuropas hat eine jahrhundertealte Tradition. Sie spiegelt sich in der weitgehenden Vollständigkeit moderner Florenwerke und Bestimmungsbücher wider. Unvollständig, wenn überhaupt vorhanden, sind Bestimmungsbücher wenig erforschter Gebiete, so z.B. der Tropen, der Subtropen und vieler Gebirge.
Wir werden uns an anderer Stelle ausgiebig mit der Frage nach der Entstehung der Formenvielfalt (Evolution) auseinandersetzen und dabei sehen, daß Gebirge mit ihren kleinräumigen, von der übrigen Umwelt isolierten Arealen ideale Voraussetzungen für Artneubildungen bieten. Bereits das ist ein Grund dafür, weshalb selbst erfahrene Botaniker mit renommierten Bestimmungswerken der mitteleuropäischen Flora gelegentlich (z.B. in den Alpen) Schwierigkeiten haben können.
In diesem Kapitel werden nur Merkmale (samentragender) Blütenpflanzen (Phanerogamen, Spermatophyta) angesprochen. Außer den eingangs genannten Gründen (Auffälligkeit, Häufigkeit) kann man diese Einschränkung dadurch begründen, daß hier viele Strukturen präsentiert werden, die auch bei den übrigen, den nicht-blühenden Pflanzen vorkommen können. Manche der Strukturen, z.B. die Blüten und die Samen fehlen allerdings den Farnen, Moosen und Algen, andere wiederum, beispielsweise die Wurzel und die Blätter, sind dort unvollkommmen ausgebildet oder durch andersartige Einrichtungen ersetzt.
Den Vegetationskörper vielzelliger Algen (und Moose) nennt man Thallus und den der Blütenpflanzen, Farne und farnähnlichen Gewächse (Pteridophyten) Kormus. Die zuletzt genannten Pflanzengruppen faßt man daher auch als Kormophyten zusammen. Mit den Besonderheiten der einzelnen Pflanzengruppen werden wir uns noch ausführlich auseinandersetzen.
Der Vegetationskörper einer "typischen" Blütenpflanze besteht aus einer unterirdischen Wurzel und einem oberirdischen Sproß, der wiederum in Sproßachse und Blätter gegliedert ist. Jedes dieser Grundorgane kann in vielen Abwandlungen vorliegen, und diese Varianten können wiederum bei den verschiedenen Arten in unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert sein. Das nahezu uneingeschränkte Kombinationsvermögen ist eine der wesentlichen Ursachen für die Entstehung der hohen Artenzahl, zugleich erschwert es aber die Ermittlung verwandtschaftlicher Beziehungen von Arten untereinander.
Lassen sich unterschiedlich erscheinende und unterschiedliche Funktionen ausführende Organe auf ein gemeinsames Grundorgan zurückführen, bezeichnet man sie als homolog. Man spricht dann auch von Homologie. Dem stellt man die Analogie gegenüber, unter der man ein gleichartiges Aussehen und gleichartige Funktionen von Organen versteht, die sich entwicklungsgeschichtlich nicht auf ein gemeinsames Grundorgan zurückführen lassen.
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Pflanzenruppen sowie Definitionen und Charakterisierungen morphologischer und anatomischer Strukturen bietet auch die Vorlesung: Botanik, Morphologie, Anatomie und Systematik der Höheren Pflanzen J.R. HOPPE (Ulm), H.A. UHLARTZ (Kiel), Th. STÜTZEL (Bochum), H.H. HILGER (FU Berlin)
Botanische Bestimmungsübungen: ...eine Einführung in die Familien. Erstellt von Bernhard SCHMIDT; mit Photos von Bernhard SCHMIDT und Jürgen R. HOPPE (Universität Ulm)
http://www.biologie.uni-ulm.de/lehre/bestueb/index.htm