Wissenschaftliche Grundlagen der Gentechnik
1. Wie ist Gentechnologie definiert?
Gentechnologie beinhaltet alle Methoden, die sich mit der Isolierung, Charakterisierung, Vermehrung und Neukombination von Genen beschäftigen. Insbesondere wird unter Gentechnologie die Isolierung eines Gens aus einem Organismus und seine Vermehrung in einem anderen verstanden.
Zur Gentechnologie gehören nicht die Methoden der modernen Fortpflanzungsbiologie. Allerdings begünstigt die Befruchtung im Reagenzglas und die damit gewonnene Zugänglichkeit der Embryonen im Prinzip auch die Anwendung gentechnologischer Methoden am Menschen. Die Frage, ob dies zulässig sein soll, wird besprochen werden, zunächst sollen jedoch die wissenschaftlichen Grundlagen und weniger brisante Anwendungsbereiche der Gentechnologie vorgestellt werden.
2. Was sind die wissenschaftlichen Grundlagen der Gentechnologie?
2.1. Die Universalität des genetischen Codes
Menschen, Tiere und Pflanzen sind nach dem Baukastenprinzip aus Zellen aufgebaut. Menschliche, tierische und pflanzliche Zellen sind sich sehr viel ähnlicher als die kompletten Organismen. Diese Ähnlichkeit wird auf dem Niveau der Moleküle noch ausgeprägter. So sind z.B. die Hormone vieler Säugetiere mit denen des Menschen fast identisch. Selbst zwischen den Eiweißmolekülen der Fliegen und denen des Menschen besteht eine überraschende Übereinstimmung. Besonders ähnlich ist die Art und Weise, in der die genetische Information für die Organismen im Zellkern der befruchteten Eizellen verpackt sind. Wir wissen heute, daß die Bauanleitung für alle Organismen durch die Basensequenz in der DNA des Zellkerns festgelegt ist. Nicht nur die chemische Struktur der Erbsubstanz ist in allen Organismen gleich, sondern auch der genetische Code. Es wird nicht nur das gleiche Alphabet verwendet, sondern überall die gleiche Sprache geschrieben.
Dieser Tatbestand, den man mit dem Begriff der "Universalität des genetischen Codes" beschreibt, ist der überzeugendste Beweis für den gemeinsamen Ursprung aller Organismen.
Gentechnologie ist nur deshalb möglich, weil der genetische Code universell ist, d.h. er gilt in allen Organismen, so daß z.B. das Stück Erbinformation, das die Bauanleitung für ein menschliches Wachstumshormon enthält, eingebracht in ein Bakterium, dieses veranlassen kann, menschliches Wachstumshormon zu produzieren (1).
2.2 Natürliche Gentransportmechanismen als Grundlage der Gentechnologie
Kritiker der Gentechnologie werfen ihr vor, durch das Überspringen von Artgrenzen, die Schranken der Natur niederzureißen. Richtig jedoch ist, daß die Gentechnologie auf natürliche Methoden des DNA-Transfers zwischen Organismen zurückgreift. Entgegen der landläufigen Ansicht kann nämlich auch in der Natur Erbinformation zwischen verschiedenen Arten ausgetauscht werden und es sind vor allem diese Systeme, die von der Gentechnologie benutzt werden.
2.2.1. Aufnahme von "nackter" DNA in Zellen
DNA wird beim Tod von Zellen freigesetzt. Unter bestimmten Bedingungen können lebende Zellen diese DNA-Moleküle aufnehmen und in ihr Genom integrieren. Enthält die DNA genetische Information, ändern sich die Eigenschaften der aufnehmenden Zelle. Diesen Transformation genannten Prozess benützte in den 40er Jahren Avery zum Nachweis der DNA als Erbsubstanz. Als Gentechnologie werden die Versuche von Avery aber noch nicht bezeichnet, weil er die DNA vorher im Reagenzglas nicht modifiziert hatte. Dies gelang erst Cohen und Mitarbeitern 1972. Sie nutzten die Transformation, um ein Darmbakterium durch die Addition manipulierter DNA gegen bestimmte Antibiotika resistent zu machen. Damit war die Gentechnologie im engeren Sinne geboren.
2.2.2. Gentransfer mit "gemäßigten" Phagen
Eine andere Form natürlicher Gentechnologie praktizieren Phagen, die Viren der Bakterien. Nicht die "bösartigen" Phagen, die ihre Bakterienopfer nach einer Infektion bald abtöten, sondern eher gemäßigte Vertreter, die nur ab und zu eine Bakterienzelle durch Freisetzung vieler neuer Phagen zerstören, sind im thematischen Zusammenhang von Interesse. Einer dieser gemäßigten Phagenvertreter ist der Lambda-Phage. Nach der Infektion eines Darmbakteriums, bei der die Phagen-DNA ins Innere der Zelle gelangt, werden die Phagengene in die ringförmige DNA des Bakteriums integriert. Teilt sich das Bakterium, so wird die Phagen-DNA mitkopiert. Falls so aus dem infizierten Bakterium über Nacht durch fortgesetzte Zellteilung Millionen von Bakterien (ein Klon) werden, so ist der Phage in gleicher Weise kloniert worden.
Interessanterweise ist für dieses Verhalten des Lambda-Phagen nur etwa die Hälfte seines Erbmaterials nötig. Die andere Hälfte kann Gene enthalten, die dem Bakterium sogar nützlich sind und damit indirekt auch dem Phagen, was zeigt, daß der Übergang von einem "Krankheitserreger" zu einem nützlichen Symbionten fließend sein kann. Phagen können wichtige genetische Eigenschaften zwischen verschiedenen Bakterientypen transportieren.
Der Gentechnologe macht sich diese Eigenschaften des Lambda-Phagen zunutze. Im Reagenzglas in das Phagengenom eingesetzte DNA-Sequenzen werden anschließend in Bakterien vermehrt (kloniert). Auf diese Weise kann die DNA eines Gens angereichert und anschließend gründlich analysiert werden. Der Phage wird als Vektor benutzt. Ein Vektor ist ein DNA-Vehikel, das den Transport beliebiger DNA-Sequenzen in eine Zelle übernehmen kann.
Es stehen für Bakterien viele verschiedene Vektoren zur Verfügung. Einige begünstigen die Expression eingeführter Gene in dem Bakterium, so daß die Produkte der Gene (die Proteine = Eiweißmoleküle) studiert oder geerntet werden können.
2.2.3. Ein Bakterium betreibt Gentechnologie
Aus dem Pflanzenreich ist ein eindrucksvolles Beispiel für natürliche Gentechnologie bekannt. Das Bodenbakterium Agrobacter tumefaciens erzeugt in zweikeimblättrigen Pflanzen sogenannte Wurzelhalsgallentumore. Diese Bakterien besitzen zusätzlich zur eigenen Erbinformation ein kleines ringförmiges DNA-Molekül (Ti-Plasmid = tumor inducing plasmid) und die Fähigkeit, ein bestimmtes Stück dieser DNA in Pflanzenzellen einzuschleusen. Die infizierten Pflanzenzellen bilden dann den Gallentumor und beginnen mit der Synthese seltener Verbindungen, Opine genannt, die das Bakterium zum Wachstum benötigt, aber nicht selbst herstellen kann. Agrobacter betreibt also Gentechnologie, um sein Überleben zu sichern. Der menschliche Gentechnologe kann sich die Tricks des Bakteriums aneignen, dessen DNA Übertragungsmechanismus einsetzen und so Pflanzen dem Menschen nutzbar machen.
2.2.4. Viren transportieren Gene zwischen tierischen Organismen
Auch in tierischen Systemen macht sich der Gentechnologe Eigenschaften präexistenter Systeme zunutze, um DNA-Moleküle in Empfängerorganismen einzuschleußen. Eine zentrale Rolle spielen die Retroviren, die ein breites Spektrum von Säugerzellen infizieren können. Diese Fähigkeit ist auf bestimmten Abschnitten des viralen Erbmaterials lokalisiert und kann von den krankmachenden Genen dieser Viren getrennt werden. Nur die so gewonnenen Defektviren werden zum Transport genetischer Information in tierische Zellen verwendet.
Nächstes Kapitel:
Anwendungsmöglichkeiten
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Das bedeutet aber nur, daß anschließend aus diesen Bakterien das entsprechende Hormon isoliert werden kann und mitnichten, daß nun die Bakterien zur Größe des Menschen heranwachsen. Es ist wichtig, festzustellen, daß einzelne Gene nur Informationen über einen winzigen Baustein eines Organismus, ein Eiweißmolekül, enthalten. Ein Fischgen ist sowenig ein Fisch wie eine Schraube eine Raumstation.
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