Bewegungen sind entweder autonom oder werden durch ein identifizierbares externes Signal induziert. Zu dessen Erkennung muß es geeignete Rezeptoren in den Zellen geben. Wie bereits besprochen, ist Licht einer der wichtigsten Faktoren im Leben einer grünen Pflanze. Es gibt eine Anzahl von Lichtrezeptoren, die sich nicht nur in ihrer Verteilung auf bestimmte Zelltypen und ihrer Position in der Zelle, sondern vor allem in ihrer spektralen Empfindlichkeit voneinander unterscheiden. Anders ausgedrückt: Bei induzierten Bewegungen instruiert das Genom der Zelle die Bildung eines Rezeptors, der nach Empfang eines Signals aktiviert wird und in der Zelle eine Anzahl von Aktivitäten auslöst, an deren Ende schließlich die Umsetzung des Signals in eine bestimmte Bewegung steht.
Bei den autonomen (endogenen) Bewegungen entfällt das externe Signal. Ein oder mehrere Genprodukte setzen Stoffwechselaktivitäten in Gang, die die beobachtbare Bewegung zur Folge haben. Das Genom kann aber auch auf sehr komplexe Weise über ein Differenzierungsprogramm in die Entwicklung eines Organs und damit in seine Bewegungskapazität, eingreifen. Eine Koordination der Abläufe oder eine Festlegung des Zeitpunkts einer Krümmung können über Wachstumsregulatoren (letztlich weitere Genprodukte) gesteuert werden.
Alles, was eben unter dem Stichwort Stoffwechselaktivität angedeutet wurde, kann im kybernetischen Sinne als eine black box aufgefaßt werden, über deren Inhalt wir kaum Vorstellungen haben. Es fehlen uns damit ganz entscheidende Glieder in der Kausalkette zum Verständnis induzierter (und autonomer) Bewegungen. Die Tatsache aber, daß es sich bei den meisten von ihnen um Turgorbewegungen handelt, bietet uns einen Ansatzpunkt zur Klärung eines Teilproblems der Reaktionskette: Rein vom Phänomen her kann Zunahme des Turgors durch Wasseraufnahme (eine Erhöhung des Wasserpotentials) beschrieben werden. Voraussetzung dafür ist eine vorherige Akkumulation osmotisch wirksamer Substanzen in der Zelle (im Cytosol, doch viel wahrscheinlicher in der Vakuole). Hierfür kommen einerseits anorganische Ionen (Kalium, Chlorid), andererseits Intermediärprodukte des Stoffwechsels (z.B. Malat) in Frage. Die Akkumulation beruht auf aktivem und damit energieverbrauchendem Transport der Moleküle (Ionen) durch Membranen (Plasmalemma [?], Tonoplast) hindurch, und dazu werden spezifische (selektive) membrangebundene Pumpen (= Carrier, = Transferasen) benötigt. Eine Zunahme des osmotischen Drucks der Zelle bedeutet daher in jedem Falle eine Steigerung der Aktivität der beteiligten Transferasen. Somit reduziert sich unser Problemkreis auf den Streckenabschnitt Reiz (Signal) > Aktivierung der Transferasen.
Erschwerend kommt jedoch hinzu, daß externe Reize oft von Zellen eines Gewebeabschnitts wahrgenommen werden, die Bewegungsreaktion selbst in anderen Zellen erfolgt. Es muß daher eine interzelluläre Signalweiterleitung (Signalkette) geben. Dazu ein Beispiel: C. DARWIN zeigte, daß die Spitzen wachsender Koleoptilen Lichtreize wahrnehmen und daß der Reiz zu subapikal gelegenen Abschnitten weitergeleitet wird und sie zu einer Krümmung in Richtung des einfallenden Lichts veranlaßt (s. Phototropismus). Inzwischen wissen wir ja, daß dafür eine Auxinsynthese, ein Auxintransport und die Ausbildung eines Auxingradienten verantwortlich sind. Wir wissen aber nicht, wie die Wahrnehmung des Lichtreizes die Auxinbildung stimuliert, wie der Transport erfolgt und was das Auxin in den Zielzellen veranlaßt, ein Streckungswachstum zu induzieren. Zur Lösung des letzten Teilschritts gibt es zumindest einige Anhaltspunkte.
Im folgenden werden eine Anzahl bestimmter pflanzlicher Bewegungsformen und ihre Ursachen an einigen ausgewählten Beispielen erläutert, um die vorab genannten Prinzipien zu illustrieren.
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